Weiter langes Warten auf Therapieplätze für psychisch Kranke

Berlin – Marcel Bettray hat Angela Merkel (CDU) eine Frage gestellt und von der Bundeskanzlerin Recht bekommen. Es dürfe nicht so lange wie bisher dauern, bis ein psychisch kranker Mensch endlich einen Therapieplatz bekomme, sagte er.

Der 32-Jährige hat selbst Depressionen und sich auf der Suche nach einem Psychotherapieplatz erfolglos durch eine Liste mehr als 40 Telefonnummern gewählt.

Bettray hat auch von der Änderung der Psychotherapeuten-Richtlinie im April 2017 gehört, die das Hilfsangebot für psychisch kranke Menschen verbessern soll. Psychotherapeuten müssen seitdem wöchentlich zwei Stunden Sprechstunde anbieten. Außerdem müssen sie 200 Minuten in der Woche am Telefon erreichbar sein. Der Erfolg ist umstritten.

Bettray war eineinhalb Jahre in einer Klinik wegen seiner Depression. «Was danach passiert, gefällt mir nicht», erzählt er. «Dass man danach komplett alleine da steht mit der Krankheit und keinerlei Unterstützung bekommt.» Er geht zwar zu einem Psychiater, von dem bekommt er aber nur Medikamente. Mit ihm spricht er seine Tablettendosis ab – aber eine Therapie ist das nicht. Während seiner Reha hat er gemerkt, dass eine Gesprächstherapie viel bringt. Aber er kriegt einfach keinen Therapeuten.

Die neue Richtlinie soll bewirken, dass psychisch kranke Menschen schneller ein erstes Gespräch mit einem Psychotherapeuten bekommen. Anstatt direkt in der Praxis anzurufen, können sich Patienten auch an die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigung wenden, die innerhalb von vier Wochen eine Sprechstunde vermitteln müssen.

Die Zahl der vermittelten Psychotherapiesprechstunden habe im zweiten Quartal aus dem Stand 40 Prozent der insgesamt vermittelten Arzttermine ausgemacht, sagt Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Das sei ein spürbarer Anstieg. Wer innerhalb der vier Wochen nicht vermittelt werden könne, könne auch ins Krankenhaus gehen. Das seien aber verschwindend wenige Patienten, fast alle könnten auf eine Sprechstunde vermittelt werden.

Schneller einen ersten Ansprechpartner zu bekommen sei für die Betroffenen eine große Hilfe, heißt es aus dem von Hermann Gröhe (CDU) geführten Bundesgesundheitsministerium. So könne geklärt werden, ob es sich um einen akuten Fall handle oder ob der Patient an eine andere Einrichtung verwiesen werden könne.

Die Bundespsychotherapeutenkammer sieht hingegen wenig Verbesserung für die Patienten durch die Reform. Denn auch wenn eine erste Sprechstunde schnell vermittelt werde, ändere dies nichts am langen Warten auf einen Therapieplatz. «Die Bundestherapeutenkammer hat schon immer darauf hingewiesen, dass nach der Sprechstunde nicht mehr Behandlungsplätze zur Verfügung stehen», sagt Sprecher Kay Funke-Kaiser. «Im Gegenteil, für Sprechstunde und Akutbehandlung müssen jetzt Stundenkontingente frei gehalten werden, die nicht mehr für die «Richtlinien-Psychotherapie» zur Verfügung stehen.»

Bisher seien nur im Jahr 2013 rund 1300 psychotherapeutische Praxen mehr zugelassen worden – in ländlichen Regionen. Insgesamt suchen Funke-Kaiser zufolge aber immer mehr psychisch kranke Menschen professionelle Hilfe. Doch es fehlt an Ärzten.

Auch Marcel Bettray wartet weiter. Deswegen hat er die Initiative ergriffen und Merkel am Donnerstag (28.9.) vor der Bundestagswahl im Kanzlercheck der jungen ARD-Radioprogramme selbst gefragt: «Was möchten Sie daran ändern, dass wir da mehr Unterstützung bekommen, dass man nicht zwei Jahre lang auf einen Therapieplatz warten muss, gerade wo das Thema Depression und Burn-out immer intensiver wird?»

Kanzlerin Merkel hat ihm in der Radiosendung geantwortet: «Ja, Sie haben Recht, dass es natürlich Therapien geben muss.» Wenn das so lange dauere, müsse sie sich noch mal mit dem Gesundheitsminister verständigen. Dann müsse das Angebot verbreitert werden. «Auf jeden Fall sollte nicht nur beim Knochenbruch eine Reha da sein, sondern eben auch eine Therapiemöglichkeit bei psychischen Erkrankungen, das ist ganz wichtig», sagte die Kanzlerin. Sie versprach: «Das nehme ich mir mit aus der Sendung.»

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(dpa)

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