In neunzig Prozent aller Fälle dürfen Sie davon ausgehen, dass ein Fragezeichen im Titel eines Artikels rhetorisch gemeint ist. Nicht anders im vorliegenden Fall: Skorbut ist alles andere als eine Fußnote in der Schifffahrts- und Kreuzfahrergeschichte. Das – übrigens aus dem Germanischen stammende – Wort bezeichnet eine Vitamin-C-Mangelerkrankung und damit die wohl gefährlichste Vitaminmangel-Erkrankung überhaupt.
Bis weit ins achtzehnte Jahrhundert war Skorbut der Schrecken aller Seemänner; jene verzehrende, unaufhaltsame Krankheit, die gleichsam aus dem Nichts nach mehreren Monaten auf See unter den Schiffsbesatzungen auszubrechen und einen großen Teil derselben hinzuraffen pflegte. Skorbut äußerte sich zunächst in andauerndem Zahnfleischbluten und Verwachsungen im Zahnfleisch, später kamen Fieberkrämpfe, Gelenkentzündungen und chronischer Durchfall hinzu. Vor 1756 endete die Krankheit, die auch während der Kreuzzüge in belagerten Städten ausgebrochen war, nicht selten tödlich. In besagtem Jahr beobachtete der britische Arzt James Lind, dass Zitursfrüchte dem Ausbruch der Erkrankung offensichtlich vorbeugten. Zwar war er noch fern davon, die Ursachen des Skorbut zu entdecken – ein wirksames Mittel dagegen hatte er aber gefunden. Und eine der größten Gefahren der Seefahrt, von der immerhin schon Plinius und Hippokrates berichtet hatten, war weitgehend gebannt.
Tatsächlich bedeutet Skorbut (oder Möller-Barlow-Syndrom) einen eklatanten Vitamin-C-Mangel. Lind lag mit seinen Zitrusfrüchten also ganz richtig. Fortan versorgten sich Matrosen mit Limettensaft; den Spitznamen „Limey“ haben sie im Englischen noch heute inne. Heute kann dank moderner Konservierungstechniken einem Vitaminmangel auf hoher See vorgebeugt werden. Dennoch ist Skorbut nach wie vor eine immer wieder auftretende Krankheit, die besonders in Ländern der Dritten Welt weiterhin bedrohliche Ausmaße annimmt. Meist wird sie durch Mangelernährung verursacht. In Europa dagegen tritt sie so gut wie gar nicht mehr auf; zuletzt wurden Skorbuterkrankungen in größerem Umfang in den Arbeitslagern der Nazis und in Stalins Gulags registriert. Gelegentlich trat Skorbut freilich in ländlichen Regionen während langer Wintermonate auf.