Berlin – Kassenpatienten in Deutschland sollen künftig schneller an Arzttermine kommen: durch mehr Sprechstunden, zusätzliche Vermittlungsangebote und extra Anreize für die Mediziner.
Der Bundestag soll dafür nun ein umfassendes Gesetz der großen Koalition beschließen. So sollen Praxisärzte wöchentlich mindestens 25 statt 20 Stunden für gesetzlich Versicherte anbieten müssen. Telefon-Servicestellen zur Terminorganisation für Patienten, die in den Ländern bisher unterschiedlich arbeiten, sollen zudem zu einem Rund-um-die-Uhr-Angebot ausgebaut werden. Auch offene Sprechstunden ohne feste Termine bei bestimmten Ärzten sollen kommen.
Nachsehen für Bestandspatienten befürchtet
Die Verbraucherzentralen begrüßten die Bemühungen, warnten allerdings auch vor neuen Problemen. Häufig warteten Patienten lange auf einen Arzttermin, was nervenaufreibend und belastend sein könne – es sei daher richtig, hier anzusetzen, sagte der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Klaus Müller.
Künftig könne aber die Höhe des Arzthonorars über Wartezeiten entscheiden, denn durch geplante zusätzliche Honorare für neue Patienten hätten bisherige Patienten das Nachsehen. Bereits jetzt erhielten privat Versicherte viel schneller Termine als gesetzlich Versicherte. «Nun wird auch zwischen Neu- und Bestandspatienten unterschieden.»
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, der Staat müsse in einem lebenswichtigen Bereich wie der Gesundheitsversorgung funktionieren. «Da besser zu werden, ist das Ziel unseres Gesetzes.» Für Ärzte soll es als Anreiz daher mehr Geld geben: für die Vermittlung dringender Termine bei einem Facharzt, für neue Patienten in der Praxis oder für Leistungen in offenen Sprechstunden. Wenn sie auf dem Land arbeiten, bekommen Ärzte künftig Zuschläge garantiert. Insgesamt dürften sich bei den gesetzlichen Krankenkassen jährliche Mehrausgaben zwischen 600 Millionen und 800 Millionen Euro für Arzt-Vergütungen ergeben.
Rund um die Uhr erreichbar
Die Termin-Servicestellen sollen Patienten ab Anfang 2020 nicht nur zu Fachärzten vermitteln, sondern auch zu Haus- und Kinderärzten. Zudem sollen sie bundesweit unter der Telefonnummer 116117 täglich rund um die Uhr erreichbar sein – und auch online oder über eine App für Smartphones. Augenärzte, Frauenärzte und HNO-Ärzte sollen pro Woche fünf Stunden offene Sprechzeit ohne feste Termine einrichten.
Die Krankenkassen werden verpflichtet, für ihre Versicherten bis spätestens 2021 elektronische Patientenakten anzubieten. Zudem soll das Bundesgesundheitsministerium 51 Prozent an der bisher von den Akteuren des Gesundheitswesens getragenen Gematik-Gesellschaft übernehmen, die sich um die Digitalisierung kümmert. Das Gesetz sieht daneben auch Ausweitungen der Versorgung vor. Unter anderem sollen die Festzuschüsse der Kassen für Zahnersatz zum 1. Oktober 2020 von bisher 50 Prozent auf 60 Prozent steigen. In der Pflege sollen ab 1. Mai 2019 auch reine Betreuungsdienste zugelassen werden, die zum Beispiel beim Putzen oder Einkaufen helfen.
Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, äußerte sich skeptisch zu Spahns Terminservice- und Versorgungsgesetz. Bei vielen Aspekten würden sich die spezifischen Folgen für die Versorgung erst in der Umsetzung zeigen, sagte er der Düsseldorfer «Rheinischen Post». Zudem würden die Verbesserungen die Versorgung auch teurer machen.
So funktioniert derzeit die Vermittlung von Arztterminen
Für Arzttermine gibt es jetzt schon einen
Vermittlungsservice – allerdings mit Einschränkungen. Wer selbst kein Glück bei Fachärzten hat, kann sich telefonisch an die
Termin-Servicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen wenden. Wann und wie diese erreichbar sind, ist je nach Bundesland unterschiedlich – eine Übersicht gibt es auf der Webseite des Bundesministeriums für Gesundheit.
Diese Stellen sind dafür zuständig, Patienten einen Termin zu vermitteln – am besten beim Facharzt, notfalls im Krankenhaus. Dieser Service soll künftig stark ausgebaut werden. Momentan gilt: Die Stellen haben eine Woche Zeit, um dem Patienten einen Termin zu beschaffen. Zwischen Anruf und Termin dürfen nicht mehr als vier Wochen vergehen, beim Krankenhaus dürfen es auch fünf sein, erklärt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Um den Service nutzen zu können, brauchen Patienten eine Überweisung vom Hausarzt mit einem sogenannten Dringlichkeitsvermerk – außer beim Augen- oder Frauenarzt. Patienten haben bei der Vermittlung zudem keinen Einfluss darauf, zu welchem Arzt es geht. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln darf die Fahrt zur Praxis aber höchstens 30 Minuten länger dauern als die Fahrt zum nächstgelegenen Facharzt.
Haus- und Kinderärzte für dauerhafte Betreuung vermitteln die Termin-Servicestellen aktuell nicht. Und auch für Akutfälle sind sie bisher nicht zuständig.
Fotocredits: Daniel Karmann
(dpa)