Lässt sich unsere medizinische Versorgung aufrechterhalten?
Obwohl es viermal so viele Studienbewerber wie Medizinstudienplätze gibt, nehmen freie Arztstellen immer mehr zu. 2019 blieben in Deutschland 3280 Niederlassungsmöglichkeiten frei, die nicht mit Hausärzten besetzt werden konnten. Bei Fachärzten lag die Zahl bei 1933. Woran liegt es, dass immer weniger Ärzte zur Verfügung stehen, obwohl jährlich 76.000 junge Menschen ein Medizinstudium beginnen? Die Gründe dafür sind:
Bis 2030 wird die Hälfte aller Hausärzte aus dem Berufsleben ausscheiden, was bedeutet, dass in 10 Jahren 10.000 Hausärzte fehlen werden. Hinzu kommt, dass nicht alle Studenten das Studium abschließen und von den Absolventen melden sich nicht alle bei der Bundesärztekammer oder wechseln in einen anderen Job.
Die Anzahl der Absolventen kann auch nicht mit der Arbeitszeit gleichgesetzt werden. Viele Ärztinnen möchten nur Teilzeit arbeiten, um ihrer Rolle als Mutter trotz Berufstätigkeit gerecht zu werden. Das bedeutet, dass es zwei Ärztinnen braucht, um eine Vollzeitstelle auszufüllen. Aber auch Männer rücken zunehmend von einer 60-Stunden-Arbeitswoche ab, wie sie in ambulanten Praxen Normalität sind. Aufgrund modernster Technik entstanden immer mehr Diagnoseverfahren, die Zeit in Anspruch nehmen. Auch der bürokratische Anteil sowie schriftliche Dokumentationen fordern mehr Zeit als früher und sorgen für das Empfinden, dass der Arztbetrieb in einer Praxis mehr aus schriftlicher Aufarbeitung als aus der Arbeit am Patienten besteht.
Daher ist das Modell der Ein-Mann-Praxis am Auslaufen. Immer mehr Ärzte wollen sich zusammenschließen und eine Praxis gemeinsam führen, um die Arbeit zu teilen und zeitlichen Spielraum zu bekommen. Das wiederum bedeutet, dass mehrere Ärzte auf eine Praxis entfallen, was in der Statistik nicht berücksichtigt wird.
Speziell bei der Versorgung durch Landärzte wird es in den kommenden Jahren zu Problemen kommen. Gebiete mit vielen ländlichen Regionen leiden schon jetzt unter Ärztemangel. Knapp die Hälfte dieser Ärzte sind heute im Alter von über 60 Jahren. Um diesem Missstand Einhalt zu gebieten, wurde über eine sogenannte Landarztquote nachgedacht. Deshalb wurde dieses Jahr mit Beginn des Wintersemesters in Rheinland-Pfalz die Regelung erlassen, dass von den 430 Studienplätzen 27 an Studenten vergeben werden, die sich verpflichten, nach dem Studium 10 Jahre als Hausarzt in Regionen zu praktizieren, die von ärztlicher Unterversorgung bedroht oder betroffen sind.
Diese Regelung hat den Vorteil, dass die Studienzulassung nicht länger nur von den Abiturzensuren abhängt. Wer in der heimatlichen Region als Arzt arbeiten möchte, bekommt dadurch die Möglichkeit, schneller in das Studium einsteigen zu können. Sicher können mit dieser Regelung an einigen Orten die Arztpraxen erhalten werden. Grundsätzlich ist jedoch die Politik gefragt, schnellstens Wege und Mittel zu finden, um in Stadt und Land weiterhin eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten.
Bild: pixabay.com, valelopardo, 1228627
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