Mainz – Internet, Handy, Alkohol – Suchtgefahren lauern in vielen Lebensbereichen. Die Experten warnen: Anreize für einen exzessiven Gebrauch von Substanzen oder exzessiv ausgeübte Verhaltensweisen seien allgegenwärtig und «scheinen weiter zuzunehmen».
Mehr als 300 Suchtexperten diskutieren bis diesen Mittwoch auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz auf dem diesjährigen Deutschen Suchtkongress aktuelle Entwicklungen in der Suchtforschung.
Süchte sorgten häufig für großes Leid, wobei sie sich oft unentdeckt entwickelten. «Wegen der zunehmenden Durchdringung mit elektronischen Medien steigt die Suchtgefahr», sagt Kongresspräsident Klaus Wölfling. Als Beispiele nennt der Psychologische Leiter an der Universitätsmedizin Mainz etwa die Sucht nach Sozialen Medien, Pornografie oder Computer- und Onlinespielen. Für diese Spiele gelte: «Die Hersteller nutzen Suchtpotentiale stärker aus.»
Behandlungsstudie
Zur Therapie von Internet- und Computerspielsucht stelle die Psychosomatische Klinik der Universitätsmedizin Mainz auf dem Kongress eine Behandlungsstudie vor. Sie zeige, dass die Chance, sich von einer Sucht zu befreien, mit einer Therapie etwa zehn Mal höher ist als ohne. Eine Therapie bestehe etwa aus Einzel- und Gruppengesprächen zur Reflexion des eigenen Suchtverhaltens sowie einer sechswöchigen Abstinenz von Computer und Smartphone. «Die Patienten sollen im Anschluss aber wieder lernen, normal mit dem Internet umzugehen», sagt Wölfling.
Nicht nur um Suchterkrankungen von Erwachsenen geht es in den Symposien und Fachvorträgen. Auch für Jüngere bergen insbesondere Alkohol, aber auch Soziale Medien und Computerspiele eine große Suchtgefahr, wie Rainer Thomasius vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf erklärt. Gerade im Präventionsangebot bestünden deutliche Mängel. Thomasius fordert daher eine Erweiterung der individuellen Suchttherapie und Prävention für Kinder und Jugendliche.
Jugendschutz gefordert
Vor der Verbindung von Spielen und Smartphone warnt Michael Dreier von der Psychosomatischen Klinik in Mainz. Das Problem sei: Gerade bei derzeit beliebten In-App-Käufen fehlten Jugendschutzregulationen, um beispielsweise die Menge der Käufe zu begrenzen. Für Jugendliche schlägt Dreier daher eine finanzielle Obergrenze vor.
Auch wenn der gesellschaftliche Wandel eine angepasste Versorgung notwendig mache, ist nach Ansicht von Falk Kiefer vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim schon problematisch, dass es bereits für «etablierte Störungsbilder» keine umfassende Versorgung gebe. «Weiterhin werden in Deutschland nur etwa zehn Prozent der alkoholabhängigen Menschen suchttherapeutisch behandelt.»
Organisiert wird der dreitägige Kongress von der Deutschen Gesellschaft für Suchtpsychologie in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie.
Fotocredits: Marcel Kusch
(dpa)