Das Burnout-Syndrom ist hinlänglich bekannt. Doch auch das Gegenteil kann eintreten: Bore-Out infolge von Langweile, Unterfordertsein und Desinteresse.
Ein Buch der Schweizer Consulting-Experten Philippe Rothlin und Peter Werder zwingt zurzeit die deutsche Arbeitswelt, einer unangenehmen Tatsache ins Auge zu blicken: Der Schaden, den chronisch unterforderte und gelangweilte Arbeitskräfte der Volkswirtschaft zufügen, dürfte längst im mehrstelligen Milliardenbereich angelangt sein.
Was die Autoren „Bore-out“, also „Ausgelangweiltsein“, getauft haben, überrascht nicht wirklich: Viele Menschen fühlen sich in ihrem Job nicht hinreichend ausgelastet. Aus Angst vor Arbeitslosigkeit wagen sie es aber nicht, zu kündigen. Stattdessen wird Arbeit „simuliert“: Überstunden, in denen man nichts tut. Prall gefüllte Aktenkoffer für den Feierabend, die nur Zeitungen enthalten. Alles nach dem Motto: Lieber Burn-out als Bore-out.
Rothlin und Werder sehen zwei mögliche Begründungen für das Bore-out-Syndrom: Falscher Beruf oder falsche Stelle. So gäbe es Menschen, die von vornerein einen Beruf erlernten, der sie nicht interessiert. Meist geschieht dies aus rationalen, arbeitsmarktbedingten Gründen. Andere haben grundsätzlich Spaß an ihrem Beruf, sind aber ins falsche Unternehmen oder in die falsche Position gerutscht. Und dort chronisch unterfordert.
Der Engagement-Index des Martkforschungsunternehmens Gallup hat ermittelt, dass 87% der deutschen Arbeitnehmer sich ihrem Unternehmen kaum verbunden fühlen. 19% haben die „innere Kündigung schon vollzogen“, wie die FAZ zynisch formuliert.
Das Buch mahnt eindringlich, Bore-out endlich ernstzunehmen. Tausende Arbeitnehmer bleiben deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurück. Während dieser Umstand sich in Führungsseminaren, bei Karrierediensten und Headhuntern allmählich herumspricht, nehmen die Krankenkassen davon kaum Notiz. Wie sollten sie auch? – Kaum ein Arbeitnehmer, der wegen Bore-out zum Arzt geht. Und wenn doch, ist von Depressionen die Rede; gegebenenfalls wird eine Psychotherapie begonnen.
Langeweile, Unterfordertsein und Desinteresse erzeugen aber nicht nur einen wirtschaftlichen Schaden. Langfristig kann Bore-out auch psychosomatisch werden und real krank machen. Ein Grund mehr, das Syndrom wahrzunehmen und, gegebenenfalls, früh genug Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Freilich möchte kaum ein Arbeitnehmer zu seinem Vorgesetzten gehen und erklären, er fühle sich chronisch unterfordert und habe eigentlich nichts zu tun – besonders nicht, nachdem er schon eine Weile in dem Unternehmen gearbeitet hat. Die Unternehmensberater empfehlen daher, solche Aussagen positiv zu formulieren: „Ich könnte noch mehr machen, interessiere mich auch noch für …“ In der Regel führten solche Ansätze rasch zum Erfolg.
Im Übrigen kommen die Autoren in ihrem Buch zu einem wenig überraschenden Schluss: Bore-out betrifft nur Menschen, die am Schreibtisch arbeiten. Ein Maurer nämlich kann nicht einfach so tun, als ob er eine Mauer hochzöge.