Wenn man sagt, dass das Studium der Medizin sehr lernintensiv ist, dann bezieht sich das oft auch auf die Anatomie. Die Anatomie ist ein Teilbereich des Studiums, mit dem sich angehende Mediziner als erstes befassen müssen und bis heute ist der Präparierkurs ein fester Bestandteil der Anatomiekurse.
Diese traditionelle Ausbildungsmethode ist auch bei allen modernen Möglichkeiten des Medizinstudiums (seit neustem zum Beispiel die Plattform Kenhub) nie ernsthaft in Frage gestellt worden. Und ganze Generationen von Ärzten erinnern sich mit einer Mischung aus Begeisterung und Schaudern an ihren ersten Präparationskurs an einem menschlichen Körper. In Deutschland beginnt der Anatomie-Unterricht in der Regel schon im ersten Semester des Medizinstudiums. Und schon bald ist dann auch der erste Präparationskurs. Nur so lassen sich am menschlichen Original die so wichtigen Zusammenhänge der menschlichen Strukturen, Funktionen und Topographien erlernen. Aber so ein Kurs an einem menschlichen Körper ist sehr aufwändig und damit teuer. Nicht nur deswegen ist das Präparieren von Leichen zu Studienzwecken auch immer mal wieder kritisch gesehen worden. Auch aus ethischer Sicht wurde der Präparationskurs schon in Frage gestellt. Allerdings ist heute die übereinstimmende Meinung vorherrschend, dass das Studium der Medizin zwingend auch genaue Kenntnisse des menschlichen Körpers erfordert, die es so fast nur durch das Präparieren zu erlangen gibt.
Heute wird auch die so genannte „Anatomie am Lebenden“ als Unterrichtsmethode benutzt. Die Studierenden untersuchen dabei gegenseitig ihr Äußeres und lernen so auf praxisbezogene Weise. Durch das Sehen, Tasten, Hören oder anderweitige Untersuchungsmethoden werden einzelne Körperteile und Funktionen untersucht und besprochen. Ergänzt durch Vorlesungen von erfahrenen Ärzten lernen die Studenten die ärztliche Routine kennen, für die das anatomische Wissen unentbehrlich ist. Der Präparierkurs rundet das Angebot ab. Lernen unter dem Blickwinkel der Anatomie und Theorie und der Praxis.
Im Präparierkurs sind jeweils fünf Studierende an einem Leichnam beschäftigt. Hier kann jetzt in der Dreidimensionalität überprüft werden, was in der Zweidimensionalität des Anatomieatlasses oder des Online-Angebotes schon gelernt wurde. Die angehenden Ärzte lernen jetzt hier nicht nur den menschlichen Körper kennen, sie lernen auch handwerkliches Geschick, Team- und Sozialverhalten und Respekt vor dem menschlichen Körper. Es müssen immer wieder gemeinsam Entscheidungen getroffen werden, die es erlauben, tiefere Einsichten zu erhalten. Der Respekt gegenüber dem Toten ist wichtig, um später im Berufsleben mit dem nötigen Mitgefühl Sterbenden oder Kranken zu begegnen.
Für die Ausbildung des Arztes ist der Präparationskurs, so aufwändig er auch immer ist, unverzichtbar. Forschungen zeigen, dass in Ländern, die das Präparieren im Studium abgeschafft haben, es häufiger zu Operationsfehlern und damit zu Schädigungen von Patienten kommt. Diese uralte und traditionsreiche Lehrmethode ist also so modern wie eh und je.
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