Desinfektionsmittel geschluckt: Mehr Anrufe bei Giftnotruf

München – Die Mitarbeiter des Giftnotrufs in München haben seit der Corona-Krise deutlich mehr zu tun. «Bei uns melden sich viel mehr Eltern als sonst, weil ihre Kinder auf Entdeckungstour gegangen sind und dabei Desinfektionsmittel oder ähnliche Substanzen getrunken haben» sagt der Toxikologe Tobias Zellner.

Zellner berät bei der Hotline des Klinikums rechts der Isar die Anrufer. Üblicherweise beantworten er und seine Kollegen etwa 90 Notrufe am Tag, derzeit seien es eher 130 aufwärts. 

Keine schweren Vergiftungen durch Desinfektionsmittel

Besorgte Nachfragen, weil der Nachwuchs einen Schluck aus der Deinfektionsmittelflasche genommen hat, kommen laut Zellner täglich etwa eine Handvoll. «Das kam vor der Corona-Pandemie eher selten vor», sagt der Toxikologe. Grund für den Anstieg sei, dass derzeit in deutlich mehr Haushalten die Mittel präsent seien. «Wenn die Flaschen dann ungeschützt rumstehen, kommen die Kinder natürlich viel leichter ran.» Auch aus Kindertagesstätten kämen mittlerweile derartige Anrufe. Die gute Nachricht: «Desinfektionsmittel führen zu keinen schweren Vergiftungen, maximal zu einer leichten Alkoholvergiftung», sagt Zellner. «Ins Krankenhaus musste noch keiner.» Wasser nachtrinken und etwas Süßes essen, um Unterzucker zu vermeiden, sei als Behandlung ausreichend. 

Neben Desinfektionsmitteln erwischen die Kleinen laut Fellners Kollegin Regina Jennet-George auch vermehrt andere Hygieneprodukte aus den Haushalten. «Geschirrspültabs, WC-Steine oder Reiniger – da ist fast alles dabei», sagt die Krankenschwester. «Die Eltern können die Kinder einfach nicht non-stop im Blick haben, und dann fangen manche einfach an, Blödsinn zu machen.» Da die meisten Putzmittel aber nicht schmeckten, würden nur kleine Mengen geschluckt – gefährlich sei das Allermeiste nicht. Nur bei Medikamenten sei große Vorsicht geboten.

Viele Eltern denken zu wenig nach

Neben strawanzenden Kindern sind nach Ansicht von Jennet-George auch übervorsichtige Eltern der Grund für den Anstieg der Notrufe: «Die meiste Arbeit macht uns, dass viele nicht selbst nachdenken. Hier rufen auch Eltern an, weil ihr Kind Penatencreme in den Mund gesteckt hat.». 

Der Giftnotruf in München ist Anlaufstelle für Anfragen aus Bayern; die Experten erhalten aber auch Anfragen aus ganz Deutschland, Österreich und dem deutschsprachigen Italien. Im vergangenen Jahr gingen fast 40.000 Anrufe ein. Übrigens: Anrufe von Erwachsenen, die nach dem Rat des US-Präsidenten Donald Trump absichtlich Deinfektionsmittel als Schutz gegen eine Corona-Infektion getrunken haben, gab es beim Giftnotruf bisher noch keine. 

Fotocredits: Patrick Pleul
(dpa)

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